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Bei allen Sehstörungen intra graviditatem ist Untersuchung mit dem Augenspiegel unbedingt
erforderlich.
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Die Ansicht, daß die akut auftretenden Sehstörungen und Erblindungen bei schwangeren
Frauen, welche an Nephropathie, Erscheinungen der drohenden Eklampsie oder der bereits
eingetretenen Eklampsie leiden, harmloser Art sind und keiner Unterbrechung der Schwangerschaft
bedürfen, ist allgemein in Geltung.
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Wird bei akuten Erblindungen oder hochgradiger Sehschwäche der Augenhintergrund normal
befunden, so ist eine Entfernung des Schwangerschaftsproduktes nur notwendig, wenn
eine echte Urämie vorliegt.
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Die allmählich, d. h. etwa in einigen Tagen eintretenden Sehstörungen können eine
verhängnisvolle pathologische Grundlage haben. Ihre letzte Ursache kann eine chronische
Nephritis sein, ist es aber nur gelegentlich.
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Wird eine Netzhautablösung festgestellt, so prüfe man erst, ob bei der Patientin lediglich
Nephropathie vorliegt, oder ob eine schwere chronische Nephritis dahinter steckt.
Im ersten Falle versuche man durch Bettruhe, Schonung und Diät eine Wiederanlegung
der Netzhaut zu erzielen, in letzterem Falle entschließe man sich schneller zur Entleerung
der Gebärmutter.
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Die Ansicht, daß die Retinitis gravidarum nur bei chronischer Nephritis vorkommt,
ist widerlegt. Man findet sie auch häufig bei den zur Gruppe des Hydrops gravidarum
gehörenden Krankheits-zuständen, nämlich der Schwangerschaftsniere, der Nephropathie
und der Eklampsie. Man soll die Retinitis gravidarum nur in Ausnahmefällen zum Anlaß
einer sofortigen Schwangerschaftsunterbrechung machen im Sinne der von Sachs aufgestellten
Grundsätze.
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Die Retinitis gravidarum bietet quoad vitam eine günstige und quoad visum eine relativ
günstige Prognose.
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Die von Adam geäußerte Meinung, daß Frauen mit chronischer Nephritis, welche während
der Schwangerschaft eine Retinitis gravidarum bekommen, eine schlechte Prognose bieten,
ist nach drei Erfahrungen aus meinem Material als nicht allgemeingültig erwiesen.
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Hat man erkannt, daß die Retinitis gravidarum einmal eine spezifische Retinitis nephritica
ist, dann befreie man die Patientin von ihrer Schwangerschaft, da die Prognose quoad
vitam et quoad visum sonst sehr schlecht ist.
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Die von Schiötz empfohlene und oft ausgeführte Schwangerschaftsunterbrechung und Sterilisierung
wegen chronischer Nephritis mit Augenhintergrundsveränderungen vom Aussehen der Reste
einer Retinitis albuminurica können wir nicht anerkennen und werden sie nur auf Notfälle
beschränken.